Crisis – Herausforderung und Chance
Als ich mich vor kurzem mit einem sehr guten Freund zu einem Problem unterhielt, fielen mir zwei Dinge ein, die ich mir schon länger nicht ins Bewusstsein gerufen hatte. Seiner Ansicht nach befand er sich zum Zeitpunkt des Gesprächs in einer wirklichen Krise. Als wir uns so darüber austauschten, merkten wir beide, welche Möglichkeiten in der gleichen Situation für ihn eigentlich entstanden, auch wenn sich die Situation auf den ersten Blick als Problem tarnte. Es erinnerte mich an den Wortstamm von „Krise„, welches ja auf griechischen „Gefahr“ und „Chance“ zugleich bedeutet. Weiters ordneten die Griechen dem Wort Krise die Bedeutungen Scheidung, Streit, Entscheidung und Urteil zu. Schwierige Problemsituation entwickeln sich oftmals zu Höhe- oder Wendepunkt einer Lebensentwicklung. Das Urteil, also die Beurteilung einer Situation, lenkt uns allerdings oftmals eher hin zur Bedeutung „Gefahr“, vergessend auf die wichtige „Chance“ die etwaige Krisen auch mit sich bringen.
In dem Gespräch wurde mir selbst wieder einmal bewusst, wie unglaublich einflussreich unser Urteil zur Einschätzung einer Situation ist. Wie rasch lassen wir uns durch unser Denken von der Chance, aus einem Problem zu wachsen und gestärkt hervorzugehen, ablenken? Das Gespräch rund um „Krise“ erinnerte mich dann auch an eine Phase in meinem Leben, als ich mich mehr mit Philosophie beschäftigte. Mir kamen die Stoiker in den Sinn, die mir in meiner Jugend durch deren Ruhe, Gelassenheit als Grundhaltung imponierten. Der Gedanke, durch Fokus auf sein Innenleben, seines Glückes Schmied zu sein und alles Äusserliche als mehr oder weniger gleichgültig anzusehen, wie es etwa Aurel, Seneca oder Epiktet schon vor langer Zeit lehrten, fühlte sich immer noch anziehend – und gleichzeitig extrem an. Im Gespräch mit meinem Freund schloss sich dann aber der Kreis. Es wurde mir bewusst wie sich diese Denkweise mit der Philosophie der drei Angelegenheiten, welche ich selbst auch im Rahmen von The Work anwende, deckt und leben lässt.
Die Drei Angelegenheiten
Habt ihr schon mal die Frage gehört oder sie euch selbst gestellt „in welchen Angelegenheiten“ ihr euch befindet wenn euch etwa ein Problem oder sogar eine Krise in eurem Leben widerfährt? Zu dieser Frage gibt es nur drei Antworten. Entweder ihr seid in eurer eigenen Angelegenheit, oder in der Angelegenheit einer anderen Person oder in der Angelegenheit von etwas Grösseren, welches ihr nicht beeinflussen könnt (zb. Gott oder Universum, wie auch immer ihr das für euch definieren wollt). Wenn du dich in Angelegenheiten aufhältst, die nicht deine sind, kostet das Kraft, Energie und ist wahrscheinlich auch der Grund warum es dir in der Situation nicht gut geht. Dies klingt extrem, vor allem nachdem wir es meist sehr gewohnt sind, uns in zahlreichen anderen Angelegenheiten zu befinden. Es lohnt sich, das mal anzusehen und zu überprüfen. Oft leiden Menschen unter Dynamiken im Familiensystem, die gar nichts direkt mit ihnen zu tun haben. Ein Beispiel: angenommen es sind deine Schwester und dein Vater zerstritten. und angenommen du hast nicht nur Mitgefühl, sondern leidest auch unter dieser Situation. Du wünschst dir, dass alles wieder gut wird. Du beginnst zu überlegen was du tun kannst und was vor allen Dingen die anderen tun sollten, damit die Beziehung zwischen den beiden wieder harmonisch ist. Du zerbrichst dir den Kopf und hast Ideen, was denn das Richtige sei und was zu dem gewünschten Ziel führt. Vielleicht redest Du mit beiden Beteiligten, gibst Ratschläge und willst vermitteln. Bevor es dir auffällt, wenn dich die Situation wirklich belastet, kreisen deine Gedanken hauptsächlich um dieses Thema und dein Glückszustand wird massiv durch die Dynamik – welche ja eigentlich zwischen den beiden herrscht – negativ beeinflusst. Oftmals ist es auch so, dass man sich in solchen Momenten über die beiden anderen stellt, denn man glaubt (besser) zu wissen was gut für die beiden ist und was die Lösung wäre wenn z.B. dein Vater nicht so stur wäre… oder deine Schwester etwas offener und auf ihn zugehen würde… In welchen Angelegenheiten bist du in dem Moment? Ja, richtig! in deren Angelegenheiten.
Auch wenn jetzt bei einigen von euch Gedanken wie „das ist aber doch Familie“, oder „man kann ja nicht nur zuschaun“ oder „sie brauchen Hilfe“ oder „ich kenne sie aber beide so gut“ kommen, tut es nichts zur Sache, dass es nicht deine Angelegenheit ist und du nie wissen kannst was das Beste für die beiden ist. Das einzige was zu tun ist, ist dich auf dich selbst zu konzentrieren und in deiner Angelegenheit zu bleiben. Damit passiert nämlich etwas Besonderes. Aus deiner Angelegenheit heraus, kannst du auch viel besser für die beiden anderen da sein, Mitgefühl zeigen, du bist klarer, und hast die Möglichkeit dich nicht in etwaige eingefahrene Familienstrukturen hineinziehen zu lassen. Sich immer wieder zu fragen, in welchen Angelegenheiten du dich gedanklich und in Taten befindest, ist ein so wertvoller Schritt hin zur Klarheit und zum achtsamen, glücklichen Leben.
Grenzen neu zu ziehen, mitfühlend statt mitleidend und gleichzeitig nicht überheblich zu sein, in dem man sich anmasst, alles zu wissen, ermöglicht dir selbst, nicht nur Klarheit, sondern vor allem Gestaltungsmöglichkeiten. Vor allem in den Angelegenheiten die tatsächlich deine eigenen sind. Achte darauf, wenn du dich einsam, alleine, gestresst oder verletzt fühlst, in welchen Angelegenheiten du dich befindest. Halte inne, und nimm wahr ob du gedanklich, oder tatsächlich Ratschläge erteilst? In welchen Angelegenheiten befindest du dich, wenn du ungefragt Ratschläge erteilst? Wenn du erkennst, dass du dich nicht in deinen Angelegenheiten befindest, z.B. wenn du erkennst dass jemand unehrlich ist, dann hat dir die Person und du dir selbst ein Geschenk gemacht. Du kannst dadurch erkennen, was du in deinem Leben nicht mehr magst oder wie du nicht mehr Leben möchtest. Das bringt uns wieder zurück zur Chance aus der Krise, indem du dich in dem Moment entscheiden kannst dir die Freiheit zu nehmen. Probiert es einfach mal aus. Ich verspreche euch, die drei Angelegenheiten haben es in sich und sind in jeder Lebenslage anwendbar.
Nach diesem tollen Gespräch mit meinem Freund wurde auch ich mir bewusster, wie häufig ich mich in anderen Angelegenheiten bewege und wie mich das abschneidet, mich Energie kostet und mich blockiert. Das Gespräch war also eine Win-Win Situation. Ich glaube, es hat ihm gut getan und mich hat es wieder erinnert und mir gleichzeitig ermöglicht, euch diese Geschichte zu den drei Angelegenheiten zu erzählen.
Anbei findet ihr noch zwei tolle Links, eines HIER zum Thema „Lebenskunst der Stoa„, des Radiowissens auf Bayern 2, die in anderen Worten nochmals einen sehr guten Überblick gibt ,wie man sich Gelassenheit und stilles Glück ins Leben holen kann. Weiter unten noch ein Video von Byron Katie zu den „three kinds of business“, auf englisch.